FRÜHE ERINNERUNG AN DIE SHOAH

Die Rabbiner Bernstein (links) und William Z. Dalin vor der Gedenktafel in der Synagoge 1946. Sammlung Ralph Dalin

Frühe Erinnerung an die Shoah – die Gedenkstele in der Heinrich-Heine-Anlage

1953 wurde mit der Errichtung eines Gedenksteins und der Anbringung einer Gedenktafel in der Heinrich-Heine-Anlage erstmals öffentlich den Opfern der Shoah gedacht. Seit 1954 führen die Jüdische Gemeinde Wiesbaden, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Landeshauptstadt Wiesbaden jährlich eine gemeinsame Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die Novemberpogrome als Beginn der Shoah durch.

Die früheste Erinnerung an die Opfer der Shoah ist eine Gedenktafel, die bei der Wiedereinweihung der Synagoge in der Friedrichstraße mit Unterstützung der U.S. Army 1946 angebracht wurde. Sie befand sich im Innenraum der Synagoge. Erstmals öffentlich und damit für die Mehrheitsgesellschaft sichtbar wurde 1953 mit der Errichtung eines Gedenksteins und der Anbringung einer Gedenktafel in der Heinrich-Heine-Anlage den Opfern gedacht. Die Gestaltung der kleinen Parkanlage am ehemaligen Standort der 1938 zerstörten alten Synagoge wurde auf Antrag der CDU-Fraktion durch die Stadtverordnetenversammlung im Januar 1947 entschieden. Sie sollte bis zur Wiedererrichtung der Synagoge am Michelsberg bestehen. Dem Vorhaben, die zerstörte Synagoge wiederaufzubauen, hatte die Militärregierung bereits zugestimmt. Zur Umsetzung kam es nicht.

Am 23. April 1953 hatte die Stadtverordnetenversammlung die Aufstellung einer Stele im damals noch als Schlichter’scher Garten bezeichneten Areal beschlossen. Mit der Gestaltung der schließlich drei Meter hohen und eine Tonne schweren Stele wurde der Bildhauer Egon Altdorf beauftragt. Nachdem er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, war der in Pommern geborene Altdorf 1946 nach Wiesbaden gekommen. 1947 bis 1949 besuchte er die Werkkunstschule in Wiesbaden, wo er bei Bildhauer Friedrich Roland Watzka lernte. 1949/50 besuchte Altdorf die Wiesbadener Freie Kunstschule und 1949 bis 1952 die Staatliche Bau- und Kunstschule in Mainz. Mit der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden sollte Altdorf ein weiteres Projekt verbinden: Er wurde beim Neubau der Synagoge in der Friedrichstraße mit der Gestaltung des Innenraums beauftragt. Die Fenster und Teile des Innenraums sind noch heute sein größtes zusammenhängendes Kunstwerk.

Städtische Vertreter sprechen bei Gedenkveranstaltung

Die Enthüllung des Gedenksteins in der nun als Heinrich-Heine-Anlage bezeichneten Parkanlage fand am 23. August 1953 statt. Das Programm sah zuerst eine Ansprache des Wiesbadener Oberbürgermeisters Kluge und anschließend eines Vertreters des Vorstands der Jüdischen Gemeinde vor. Für den Vorstand sprach Rechtsanwalt Dr. Goldberg. Außerdem anwesend waren Naftali Rottenberg, Ludwig Fries und Roman Mandelbaum. Neben Vertretern der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats waren für die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Claire Guthmann, Heinrich Mannweiler und Dr. Josef Massenkeil vor Ort. Auch die U.S. Army war bei der Veranstaltung vertreten. 

In der Heinrich-Heine-Anlage als ehemaliger Standort der alten Synagoge fanden nach der Aufstellung der Gedenkstele die jährlichen Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an die Novemberpogrome 1938 statt. Seit 2011 steht am Ort die Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden.

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